Wenn der Schleier fällt
Weiblichkeit jenseits von Esoterik- und Jugendwahn
„Weiblichkeit ist kein Korsett – weder aus Blütenranken noch aus Fitnessplänen.“
Von Anita Slowig
Das goldgerahmte Heiligenbild der Weiblichkeit
Es gibt ein Bild von Weiblichkeit, das in der spirituellen Szene wie ein goldgerahmtes Heiligen- oder Göttinenbild weitergereicht wird:
Sanft, stets nährend, leise, immer schön – und bitte jederzeit in fließenden Kleidern.
Es lächelt, es gibt, es harmonisiert.
Es macht sich weich, damit niemand aneckt.
Und wenn es leidet, tut es das leise, damit niemand gestört wird.
Diese Form von „Weiblichkeit“ ist kein Befreiungsbild. Sie ist ein Käfig mit Blumendekor.
Viele von uns haben sich jahrelang hineingeschmiegt, vielleicht sogar geglaubt, das sei unsere wahre Natur.
Doch oft steckt dahinter nichts anderes als eine spirituell verpackte Variante der alten patriarchalen Forderung:
„Sei gefällig, damit du geliebt wirst.“
Wechseljahre als Initiation
Die Perimenopause hat viele Gesichter – Hitzewellen, Schlaflosigkeit, Emotionen wie Wetterumschwünge.
Doch jenseits der Symptome wirkt sie wie ein Schleier, der fällt.
Der sinkende Östrogenspiegel nimmt uns den hormonellen „Weichzeichner“, der uns biologisch oft auf Harmonie und Fürsorge programmiert hat.
Gleichzeitig tritt Testosteron deutlicher in den Vordergrund – nicht, um uns „männlich“ zu machen, sondern um uns die Klarheit, den Mut und die Durchsetzungskraft zu schenken, die vielleicht schon immer in uns waren.
Und hier geschieht etwas Kostbares:
Diese neue Energie trifft auf unsere gelebte Erfahrung, auf unsere weibliche Weisheit.
Das Ergebnis ist kein lautes Machtgehabe, sondern eine stille, unbestechliche Präsenz.
„Wir sagen Nein, wenn es ein Nein ist – ohne uns dafür zu entschuldigen.
Wir sagen Ja, wenn es ein Ja ist – ohne Angst, zu viel zu sein.“
Der Jugend- und Fitnesswahn – ein neues Korsett
Parallel zum spirituell verklärten Bild der „ewig sanften Weiblichkeit“ hat sich ein anderes Ideal etabliert:
Die Frau in den Wechseljahren soll heute bitte schlank, fit, straff und am besten mit Sixpack sein – eine „Hot Goddess“, die den Alterungsprozess scheinbar aufhält.
Dieses Bild wird in Magazinen, Social Media und sogar in vermeintlich „empowernden“ Coachingprogrammen verkauft.
Doch auch das ist ein Korsett – nur aus anderem Material.
Es ist nicht weniger patriarchal und kapitalistisch als das alte Bild der stillen, duldsamen Frau.
Denn es hält uns in der Dauerschleife aus Selbstoptimierung, Selbstkritik und Konsum:
Wir sollen kaufen, trainieren, hungern, Kleinbleiben, cremen – um zu beweisen, dass wir „noch mithalten“ können.
Die Ironie: Während unser Körper uns gerade einlädt, tiefer in Weisheit, Gelassenheit und Selbstannahme zu wachsen, werden wir auf einen Kampf gegen uns selbst angesetzt.
Ein Kampf, den niemand gewinnen kann – weil er auf der Lüge beruht, dass wir nur dann wertvoll sind, wenn wir nicht altern.
Wahre Schönheit in dieser Lebensphase entsteht nicht aus dem Zählen von Kalorien oder aus dem Spagat zwischen Yoga-Flow und Bootcamp.
Sie entsteht, wenn wir uns in unserer verändernden Gestalt annehmen, uns gut nähren, uns bewegen, um uns lebendig zu fühlen – nicht um ein fremdes Ideal zu erfüllen
Jenseits der Rollen
In dieser Lebensphase bricht etwas auf, das lange in uns gedrängt hat:
- Die Loslösung vom Außenblick – wir beginnen, uns nicht mehr durch die Augen anderer zu sehen.
- Die Integration der Gegensätze – wir sind nährend und klar, weich und standhaft zugleich.
- Die Rückkehr zur eigenen Stimme – wir sprechen, auch wenn es nicht allen gefällt.
- Die Neuordnung der Kräfte – wir setzen unsere Energie bewusst ein, statt sie zu verstreuen.
Das ist kein esoterischer Archetyp und kein „höheres Weiblichkeits-Level“.
Es ist schlicht das, was geschieht, wenn wir uns von Rollen befreien und beginnen, unser Leben von innen nach außen zu führen.
Die Königin im eigenen Reich
Wenn der Schleier fällt, bleibt die Königin.
Nicht die „Königin“ aus den Hochglanz-Karten-Sets, sondern die, die barfuß im eigenen Garten steht und weiß, wer sie ist.
Die ihre Krone nicht trägt, um zu beeindrucken, sondern weil sie ihr Haupt aufrecht hält.
Die ihr Reich nicht durch Kontrolle schützt, sondern durch Klarheit und Mitgefühl.
Weiblichkeit in diesem Sinn ist nicht süßlich und nicht gefällig.
Sie ist geerdet, klar, warm – und sie hat keine Angst vor der eigenen Wahrheit.
Vielleicht ist genau das die Essenz der Wechseljahre:
Eine Rückkehr zu uns selbst, ohne Filter.
Nicht mehr im Gefallen, sondern im Sein.
Und darin liegt eine Schönheit, die kein jugendliches Gesicht, kein Kleid und keine Maske je erreichen kann.
Einladung zur Selbstreflexion
Vielleicht magst du dir einen Moment Zeit nehmen und dich fragen:
- Wo spürst du noch den Wunsch, einem Ideal zu entsprechen, das gar nicht deins ist?
- In welchen Bereichen deines Lebens darf der Schleier fallen – damit deine Wahrheit klarer sichtbar wird?
- Welche Facetten deiner Kraft hast du bisher zurückgehalten, weil sie nicht „weich“ genug wirkten?
Erlaube dir, diese Fragen ohne Urteil zu betrachten. Nicht als neue Aufgabe, sondern als liebevolle Einladung, dich selbst tiefer zu erkennen.
Und vielleicht stellst du fest: Du musst weder der „sanften Göttin“ noch der „ewig jungen Fitness-Ikone“ entsprechen.
Du darfst du selbst sein – mit all deinen Jahresringen, Narben, Lachfalten, Erfahrungen und deiner einzigartigen Mischung aus Sanftmut und Klarheit.
„Wahre Schönheit beginnt dort, wo wir aufhören, uns zu verformen – und beginnen, uns zu bewohnen.“
Das ist kein Verzicht, sondern ein Gewinn.
Denn wenn wir aufhören, uns nach fremden Bildern zu formen, beginnen wir zu strahlen – nicht, weil wir perfekt sind, sondern weil wir echt sind.
Call-to-Heart
Wenn dich diese Gedanken berühren, lade ich dich herzlich ein, dich mit mir auf den Weg zu machen:
In meinem Mentoring für achtsame Selbstfürsorge begleite ich Frauen in Übergangszeiten – jenseits von Rollenbildern, hinein in ihre eigene, unverstellte Kraft.
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Herzensgrüße,
deine Anita