Meine Liebe,
mein Lieber,
bei meinem gestrigen Spaziergang begegnete mir ein zarter, weißer Schmetterling. Er tänzelte ein paar Momente vor meinem Gesicht herum, lies sich kurz auf einem Baum mit weißen Kirschblüten nieder, um dann wieder weiterzuziehen.
In den letzten 10 Jahren begegnen mir Schmetterlinge auffällig oft, sowohl in der Natur als auch symbolisch. Absolut bezaubernd, diese feinen, hübschen Falter. Besonders aber fasziniert mich ihr Entwicklungsprozess.
Die Raupe tut anfänglich nichts weiter, als zu fressen und zu wachsen. Und doch kennt sie intuitiv ihren Weg. Während sie heranreift, bilden sich in ihr sog. Imago-Zellen. Diese enthalten die Information des Schmetterlings.
Anfänglich bekämpft die Immunabwehr der Raupe diese Zellen wie ein Fremdkörper und frisst sie.
Dann folgt die Raupe intuitiv ihrer Bestimmung; sie scheint zu wissen, dass ihr eine Transformation bevorsteht, dessen Ausgang sie nicht kennt. Die Raupe zieht sich von der Außenwelt zurück und beginnt sich zu verpuppen.
In ihrem Kokon abgekommen, fährt sie ihr System runter. Die Imago-Zellen werden zwar immer noch bekämpft, aber sie geben nicht auf. Es werden immer mehr und mehr. Schließlich formieren sie sich zu einem Zellhaufen, den sog. Clustern, doch auch sie werden weiterhin abgewehrt, da als zur Raupe zugehörig nicht gesehen.
Irgendwann beginnen sich die einzelnen Zellhaufen mithilfe von Fäden untereinander zu verbinden. Dann geschieht ein Wunder: die Immunabwehr der Raupe erkennt diese Netzwerk an Clustern als zur Raupe zugehörig und wehrt sie nicht mehr ab. Der Transformationsprozess kann beginnen.
Nun braucht es Zeit und Geduld. Die Raupe kann nun in ihrem Kokon ganz in Ruhe heranreifen. Sie hat weder eine Ahnung davon, was mit ihr passieren wird, noch kann sie den Wandlungs-Prozess stoppen.
Und das schwierigste steht ihr noch bevor: denn sie muss sich aus ihrer eigenen Kraft heraus aus dem Kokon schälen.
Dieser beschwerliche und schmerzhafte Geburtsprozess ist Teil der Transformationen.
Mit noch nassen Flügeln verlässt sie ihren zu klein gewordenen, schützenden Kokon, um in ihr neues, zweites Leben zu fliegen.
Faszinierend, nicht wahr?
Vielleicht erkennst Du sogar Parallelen in Deinem eigenen Veränderungsprozess?
Ich auf jeden Fall. Aber das ist eine andere, buchfüllende Geschichte.
Komm behütet durch den Tag,
Deine Anita